Generali bietet adaptiven Versicherungstarif „Vitality“ in Deutschland an

Der Versicherer Generali bietet nun auch in Deutschland sein adaptives Versicherungsmodell Vitality für Kunden mit Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung an. Generali selbst beschreiben in ihrer Pressemittleitung den Tarif wie folgt:

»Mit Generali Vitality setzen sich unsere Kunden ihre eigenen individuellen Ziele und Generali Vitality unterstützt sie bei jedem Schritt dort hin. Und das nicht nur „einmal am Anfang und einmal am Ende“, sondern jeden Tag. Im Rahmen des Programmes motivieren sich Kunden durch Vorsorge, gesunde Ernährung, Fitness und Bewegung zu einer gesunden Lebensweise und erhalten hierfür Gutscheine und Rabatte. Das Programm verbindet dies mit einem innovativen technischen Ansatz, der den heutigen Gewohnheiten und Bedürfnissen vieler Verbraucher entspricht. Wer das Programm nutzt, möchte seinen Gesundheitszustand verbessern und kann sich durch Boni und Vergünstigungen selbst motivieren.«

Damit geht Generali den konsequenten Schritt, gesundheitsbewusstes Leben monetär zu honorieren. Der Versicherte kann dabei laut Pressemappe seinen Gesundheits- und Fitnesslevel ermitteln und seine Ziele definieren. Durch gesundheitsbewusstes Handeln kann der Versicherte seinen Statuslevel durch das Sammlen von Punkten verbessern bzw. halten und wird mit Prämien belohnt. Bei Generali klingt das dann so:

»Punkte können auf unterschiedliche Arten gesammelt werden. Dazu zählen die Wahrnehmung ärztlicher Vor- sorgetermine, Fitness und Bewegung, Verzicht auf das Rauchen oder der Einkauf gesunder Lebensmittel.«

Generali nutzt konsequent Prinzipien des Gamification, bereits in Sozialen Netzwerken vielfach zum Sammeln von Daten eingesetzt, um Versicherte zu einem gesunden Leben zu motivieren. Wie allerdings die Punkte berechnet werden, wird nicht transparent dargelegt.

Verpflichtende Integration von Wearables in den Tarif

Generali Datenschutz-Modell: Integration von Wearbales und Drittanbietern

Generali speichert die Vertragsdaten in einem deutschen Rechenzentrum. Doch auch ein Rechenzentrum in Deutschland kann keine 100% Sicherheit vor Hackerangriffen bieten, die mit Gesundheitsdaten eine Menge anfangen können.

Aktivitätsdaten können an »Generali Device Partner« übertragen und in einer verschlüsselten Cloud gespeichert werden. Welche Partner das sind, ist auf der Website von Generali nicht unmittelbar ersichtlich. Was mit den Daten dort geschieht, auch nicht.

Fraglich ist auch, in welcher Form das »Generali Vitality Partner Netzwerk« eingebunden wird. Klar zu sein scheint, dass diese Partner Prämien für aktive Versicherte bereitstellen. In diesem Fall müssten diese aber Kenntnis von den Aktivitäten der Nutzer erlangen und, folglich, ein Datenaustausch stattfinden (z. B. mit den Generali Device Partnern), was aus der obigen Grafik nicht hervorgeht.

Im Bundesdatenschutzgesetz ist jede rechtlich selbstständige Organisation als verantwortliche Stelle für die Nutzerdaten festgelegt. In dem Generali-Konstrukt scheint mir an mehrer Stellen eine Form der Auftragsdatenverarbeitung vorzuliegen, dargestellt durch die jeweiligen Pfeile. Die würde eine umfassende Einwilligung der Nutzer voraussetzen, da es sich laut §3 (9) BDSG um besondere personenbezogene Daten (Gesundheitsdaten) handelt.

Wie hier das in Art. 17 der EU-DSGVO festgelegte »Recht auf Löschung« der sicher in umfassender Weise anfallenden Versichertendaten im Austausch zwischen mehrern Partnern umgesetzt werden kann, bleibt offen.

Der Weg in die Totalüberwachung

Neben den datenschutzrechtlichen Fragen, die sich aus diesem Tarif ergeben, stellt sich vor allem eine moralische Frage. Der Tarif entspricht sicher dem aktuellen Trend nach »Quantified Self«, sprich: der Selbstvermessung und -optimierung des eigenen Körpers. Aber was ist mit den Menschen, die sich nicht vermessen lassen wollen bzw. die aufgrund von Krankheiten nicht dem Ideal des aktiven und schönen Menschen entsprechen?

Generali selbst lässt Journalisten wissen, dass der Tarif durchaus auf weitere Versicherungen wie der Krankenversicherung ausgeweitet werden kann. Ich stelle mir die Frage, in welche Gesellschaft wir uns entwickeln, wenn Menschen bereit sind für ein paar Euro oder Sachprämien einem gewinnorientierten Unternehmen die eigenen Vitaldaten in umfassenster Weise per 24/7-Wearable-Tracking offen zu legen?

Aus meiner Sicht kann hierdurch ein Zwang entstehen, der gerade diejenigen benachteiligt, die an diesem System nicht teilnehmen möchten oder können. Die vollständige zentrale Erfassung und Auswertung unserer Gesundheitsdaten birgt die Gefahr erheblicher Nachteile. Denn: Gesundheitsdaten verfallen nicht. Und: die eigene Gesundheit lässt sich nicht vollständig kontrollieren, denn der Körper ist keine Maschine.

Außerdem entsteht sozialer Druck, wenn viele einen solchen Tarif abgeschlossen haben: können sie ihr Glas Wein noch unbeschwert genießen? Wollen sie sich die Freiheit nehmen lassen, eine Zigarette zu rauchen (was auch ich als Nichtraucher gerne zugestehe)? Fahren sie im nächsten Ski-Urlaub zurückhaltender und sagen das Mountainbiken am Wochenende aus Sicherheitsgründen doch lieber ab?

Niemand kann garantieren, dass die die erfassten Daten bei Generali sicher verwahrt sind. Fallen diese Daten in die falschen Hände, könnte der Zugang zu  Dienstleistungen am Markt deutlich erschwert werden. Haben Sie zum Beispiel bei Generali erfasste Herzbeschwerden, können Sie vielleicht keine Versicherung oder Kredite mehr abschließen. Sie könnten ja jederzeit sterben. Andere Kunden möchten nur gesunde Menschen in ihrer Versicherung haben, damit die Tarife günstig bleiben. Ihre Miete könnte steigen: Sie sind ja jetzt ein Risikofaktor. Arbeitsgeber reagieren zurückhaltend auf ihre Bewerbung oder versuchen, sie loszuwerden. Wer beschäftigt schon gerne kranke Menschen, die jederzeit ausfallen können?

Dieses sind nur Ideen einer möglichen Folge einer flächendeckenden Verbreitung solcher Tarife. Solange man gesund ist, mag so ein Tarif attraktiv erscheinen. Ist man krank, wird der Pendel ins genaue Gegenteil umschlagen. Es besteht die Gefahr, dass ein solidarisches System zugunsten ökonomischer Interessen aufgegeben wird. Daher ist dieser Tarif aus meiner Sicht ein weiterer Schritt in die totale Überwachung und Kommerzialisierung unserer Daten und somit des menschlichen (Zusammen-)Lebens.

Er sollte besser nicht angeboten oder abgeschlossen werden.

Fotos: Generali Vitality Pressemappe

Ergänzung

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